Ende Mai äußerten die Berliner Verkehrssenatorin und der brandenburgische Verkehrsminister die Absicht, die Reaktivierung der sogenannten Stammbahn zu planen und erläuterten die Streckenpläne von Potsdam kommend mit Halten in Dreilinden, Kleinmachnow und weiter nach Zehlendorf. Damit würde es eine neue Verbindung zwischen Berlin und Potsdam geben, die auf alter historischer Strecke liegt.
Mitten durch Babelsberg, zwischen dem ehemaligen Nowawes nördlich der Bahnstrecke und Neuendorf südlich der Bahnstrecke führt die ehemals älteste Eisenbahn von Preußen. Die Stammbahn, auch als Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn bekannt, wurde am 22. September 1838 auf der Teilstrecke Potsdam bis Zehlendorf eröffnet und später am 29. Oktober 1838 auch mit dem Abschnitt Zehlendorf bis Berlin in Betrieb genommen. Der Bau der Strecke dauerte rund 14 Monate, angefangen hatten die Arbeiten am 10. August 1837. Die Planungen jedoch waren älter, denn schon Jahre zuvor gab es Pläne für eine Eisenbahn, die aus Richtung Halle/Wittenberg über Potsdam und Berlin weiter in den Osten Preußens führen sollte. Aus der ersten Gesellschaft, die sich mit dem Ziel der Schaffung einer Eisenbahn von Potsdam nach Berlin befasste, wurde eine neue Gesellschaft gegründet, die die Verlängerung der Eisenbahn von Potsdam nach Magdeburg forcierte und deren Eröffnung erst im August 1847 erfolgte. Mit dieser Eisenbahn erfolgte schließlich ein großes Netz von verschiedenen Eisenbahnen in Preußen und im gesamten Deutschen Reich.
Ein Haltepunkt für das „gemeine Volk“ aus Nowawes und Neuendorf hat es erst einmal jahrzehntelang nicht gegeben. Die Dampfzüge rauschten vom Potsdamer Bahnhof in Berlin kommend an den Weberhäusern in der Lindenstr. (heute Rudolf-Breitscheid-Str. und Benzstr.) vorbei. Dabei verliefen die Bahngleise einer alten breiten Trift entlang, was auch heute noch gut zu erkennen ist. Die alte Lindenstraße und die darauf verlaufenden Bahngleise wurden mittels eines Bretterzaunes getrennt, damit weder Vieh noch Personen die Gleise kreuzen konnten.
Ein Jahr nach seiner Krönung als König von Preußen, wurde für Wilhelm I. 1862 ein nur für ihn vorgesehener Haltepunkt in Neuendorf in Höhe der heutigen Überquerung der Nutheschnellstraße über die Bahngleise eingerichtet. So konnte der König bequem vom Berlin kommend eine Kutsche in Neuendorf besteigen und die Wilhelmstr. (heute Alt Nowawes) zum Eingang „seines“ Park Babelsberg hin zu seiner Residenz im Schloss Babelsberg nehmen.
Die Nowaweser und Neuendorfer guckten noch lange „in den Rauch“. Erst am 01.05.1890, mit der Verlängerung der Wannseebahn als Vorortbahn von Wannsee nach Potsdam, bekamen die Schwesterngemeinden einen eigenen – noch ebenerdigen Bahnhof – Neuendorf-Nowawes, 1907 nach der Zusammenlegung beider Gemeinden mit dem Namen Nowawes ausgewiesen.
Die Querungen der Bahntrasse wurden durch Schrankanlagen reguliert. An der Eisenbahnstr. (heute Karl-Liebknechtstr.) gab es eine Unterführung, an der Berg-(!)straße (heute Daimlerstr.) gar eine Straßenbahnüberführung.
Mit der wachsenden Industrialisierung von Nowawes wuchsen auch die „Querungshäufigkeiten“ zwischen den Wohnquartieren nördlich der Bahn und den Fabriken südlich der Bahn. Jahrelanges Drängen der Nowaweser Gemeindevertreter und des Landkreises Teltow führten 1911 endlich zum Erfolg. Die Königliche Preußische Eisenbahnverwaltung legte die Vorort- und Fernbahngleise in der Gemeinde Nowawes hoch und ein neuer Bahnhof wurde bis 1914 erbaut.
Eine „Extrawurst“ wurde für die neuen Villenbesitzer am Schlachtensee und Neubabelsberg 1874 „gebraten“: 1874 war in Zehlendorf ein Abzweig von der Stammbahn gebaut worden, auf dem nun Züge über Schlachtensee in Richtung Wannsee nach Potsdam verkehrten. Diese Bahn erhielt den Namen „Alte Wannseebahn“ und sorgte schließlich auf dafür, dass am heutigen Bahnhof Griebnitzsee im Jahr 1874 der Bahnhof Neu-Babelsberg zur Erschließung des dortigen Villenviertels entstand. An diesem Punkt trafen nun die Gleise der Stammbahn mit denen der alten Wannseebahn und fünf Jahre später auch der neu gebauten Wetzlarer Bahn (auch „Kanonenbahn“ genannt) – von Charlottenburg kommend durch den Grunewald nach Dessau führend zusammen. Seit 1878 besaß der Bahnhof am Griebnitzsee eine Attraktion, das Empfangsgebäude war der ausgediente Deutsche Pavillon der Weltausstellung in Wien im Jahr 1873. Ab 1883 hieß der Bahnhof ohne Trennung „Neubabelsberg“ und ab 1928 verkehrte hier die S-Bahn auf den Gleisen der Stammbahn, die auch in Nowawes hielten.
Mit der Höherlegung der Strecke entstanden zahlreiche Brücken, so auch an der Anhaltstraße, Ecke Rudolf-Breitscheid-Straße. An einer Seite der Brücke ist ein Türmchen zu sehen, dass seit vielen Jahren ohne Benutzung ist. Dabei handelt es sich vermutlich um eine sogenannte Blockstelle für die beiden Vorortgleise der S-Bahn. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die S-Bahn nur auf einem Gleis betrieben und das Stellwerk wurde nicht mehr benötigt. Innerhalb der Geschichtswerkstatt haben wir mehrmals philosophiert, ob nicht eine Nutzung dieses kleinen Turmes als Ausstellungsraum oder kleines Museum zur ersten Eisenbahn in Preußen möglich wäre? Babelsberg wäre um ein kleines touristisches und museales Highlight reicher und der Turm würde eine sinnvolle Nutzung erfahren. Zudem gäbe es eine Möglichkeit, um an die erste Eisenbahn in Preußen erinnern zu können, die hier ihren Streckenverlauf hatte.
Im Übrigen empfehlen wir gerne einen Spaziergang zwischen den heutigen Potsdamer-Berliner und Kleinmachnower Gemarkungsgrenzen, denn dort liegen noch alte Relikte wie Gleise oder Brücken der alten Stammbahn sowie der später gebauten Friedhofsbahn nach Düppel und Stahnsdorf. Denn sowohl die Stammbahn, als auch die Friedhofsbahn haben im Zuge der deutschen Teilung ihre Funktion verloren. Umso besser ist es, dass in den letzten Jahren und nun auch auf höheren Beschluss der Politik die Strecke der Stammbahn und damit eine Verbindung zwischen Potsdam und Berlin reaktiviert werden soll. Wir begrüßen dies ausdrücklich und erwärmen uns an der Idee, die Geschichte auch im Turmbauwerk an der Anhaltstraße präsentieren zu können.