Das Rote Nowawes

Der Ort Nowawes steht für eine Mitte des 18. Jahrhunderts gegründete Weberkolonie, in dem der preußische König Friedrich der II. böhmische Weberfamilien in der Nähe Potsdams für die Seidenherstellung und Textilindustrie ansiedeln wollte. Der Name „Nowawes“ ist daher slawischen Ursprungs für „Nová Ves“ und bedeutet zu Deutsch „Neues Dorf“.

Schon zu den Zeiten der Weber*innen waren die Arbeits- und Lebensbedingungen schlecht und die Familien von sozialen Problemen wie Armut betroffen. Immer wieder kam es zu Weberaufständen. Mit der Industrialisierung entstanden große Fabriken der Textilindustrie, die nach und nach die Hauswebstühle in den typischen Weberhäusern ersetzten. Der Begriff „Rotes Nowawes“ tauchte erstmals in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen der Aufmüpfigkeit seiner Bewohner*innen auf.

Der Niedergang der Textilindustrie in Nowawes sorgte für eine Transformation der Industrie, so dass sich ab 1899 vor allem der Maschinenbau mit der Lokomotivfabrik Orenstein & Koppel als Zugpferd sowie die Metallindustrie, aber auch die chemische Industrie und Filmindustrie durchsetzen. Nowawes und Neuendorf, ein Angerdorf südlich von Nowawes, wuchsen stark, doch die sozialen Problemlagen verschärften sich durch Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und fehlende soziale Infrastruktur.

Mit dem Entstehen der Fabriken in Nowawes und entlang der Großbeerenstraße in Neuendorf bildete sich eine Arbeiter*innenklasse heraus und mit ihr eine starke politische Organisierung. Im Zuge des Ersten Weltkrieges, der Wirtschaftskrisen, der polarisierenden politischen Lage der Weimarer Republik sowie der Nähe zur völlig gegensätzlichen ehemaligen preußischen Garnison- und Residenzstadt Potsdam, waren politische und soziale Kämpfe nun an der Tagesordnung.

Während Potsdam für eine traditionelle Beamten- und Soldatenkultur stand, geprägt durch das königliche und militaristische Preußen, entwickelte sich auf der anderen Seite der Havel eine starke Arbeiter*innenbewegung heraus, die parteipolitisch vor allem in der SPD, USPD und später in der KPD sowie in einer Vielzahl von Kultur-, Sport- und Wohlfahrtsvereinen organisiert war. Das „Rote Nowawes“ machte seinem Namen alle Ehre. Sich hier zu den Nationalsozialisten zu bekennen, konnte durchaus gefährlich für das leibliche Wohl sein.

Im Jahr 1907 vereinigten sich Neuendorf und Nowawes, welches im Jahr 1924 Stadtrecht erhielt. Die Stadt Nowawes wuchs 1938 mit der Villenkolonie Neubabelsberg weiter, doch der alte Name verschwand, einerseits aufgrund seines slawischen Ursprungs, der den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge war, andererseits aufgrund der Reputation als Rotes Nowawes durch die starke Arbeiter*innenbewegung. Die Stadt erhielt den Namen Babelsberg. Sie war die größte Stadt im Landkreis Teltow, bis sie am 1. April 1939 in die kreisfreie Stadt Potsdam eingegliedert wurde.

Heute erinnert kaum noch etwas an das Rote Nowawes, eine politische Bezeichnung und auch Würdigung, mit der neben dem „Roten Wedding“ im nahen Berlin nur ganz wenige Orte aufwarten können. Lange erinnerten lediglich die Straße „Alt Nowawes“ und später der im Jahr 2006 neugegründete Fußballverein Concordia Nowawes an den ursprünglichen Namen und an die Tradition des Arbeiter*innensports. Die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes will die Historie neu beleben und erfahrbar machen.

Aktuelles

Werner Nerlich – Ein Potsdamer Künstlerleben

In der Lesung und dem Gespräch widmen sich Dorothea Nerlich (Autorin des im letzten Jahr veröffentlichten gleichnamigen Buches und Witwe von Werner Nerlich) sowie Christian Raschke (Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e.V.) dem biografischen Wirken des Künstlers und Potsdamer Ehrenbürgers Werner Nerlich. Geboren in Nowawes verbrachte Werner Nerlich hier seine Jugend- und Lehrzeit. Während des Zweiten Weltkrieges …

Erinnern an Heinz „Schupo“ Tietz zum 10. Todestag

Die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e.V. und der Sportverein Concordia Nowawes 06 e.V. erinnern mit euch gemeinsam am Grab von Heinz „Schupo“ Tietz. Anlass ist der 10. Todestag des Arbeitersportlers und der Babelsberger Fußballlegende. Mittwoch, 07.02.2024, 17 UhrTreffpunkt an der TrauerhalleFriedhof Goethestraße

1933: Nowaweser Kommunalpolitiker*innen – Verfolgt und erniedrigt

Einweihung einer Erinnerungstafel mit anschließendem Vortrag von Dr. Uwe Klett Als am 30.1.1933 in Berlin die NSDAP im engen Schulterschluss mit den Deutschnationalen die Macht im Reich übernahmen, waren auch die Tage des “Roten Nowawes” gezählt. Aufgrund der großen Mehrheit von sozialdemokratischen und kommunistischen KommunalpolitikerInnen war eine solche “braun-schwarze Zeitenwende” in der Arbeiterstadt kaum vorstellbar. …

Über uns

Wer sind wir?

Die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e. V. bildete sich im Jahr 2018 als ein loser Zusammenschluss von geschichtsinteressierten Personen, mit dem Ziel, die Geschichte der früheren Industriestadt Nowawes, dem heutigen Babelsberg, insbesondere der „kleinen Leute“ und ihrer politischen und soziokulturellen Organisationen zu erforschen und der interessierten Öffentlichkeit nahezubringen. Nach Jahren der Arbeit und Recherche sowie nach diversen Führungen und Veranstaltungen gründete sich im Jahr 2022 schließlich unser Verein, der gemeinnützig ist und seit 2023 im Vereinsregister unter der Nummer VR 9550 P eingetragen ist.

Den Ruf des „Roten Nowawes“ aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik aufnehmend – auch als Kontrapunkt zur weitgehend konservativ-preußisch geprägten Geschichte der alten Stadt Potsdam – wollen wir das Besondere dieser Arbeiterstadt zwischen den beiden preußischen Residenzen Berlin und Potsdam für die heutigen und künftigen Generationen erlebbar gestalten. Wir denken, dass die Organisierung der Arbeiter:innenbewegung, die sozialen Kämpfe und Problemlagen, der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, aber auch deren Scheitern, in all ihrer Hoffnungen und Irrungen für das Heute viel Nachdenkenswertes bereithält.

Was machen wir?

Die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes will über digitale Hilfsmittel, aber auch über klassische Formen der Erinnerungs- und Bildungsarbeit die Geschichte des Roten Nowawes für die individuellen Bedürfnisse der interessierten Personen erlebbar gestalten. Hierbei thematisieren wir in regelmäßigen Treffen bestimmte Ereignisse, Orte und Personen, vor allem in der Zeit der Industrialisierung bis zum Jahr 1945.

Wir organisieren Führungen, Veranstaltungen und Ausstellungen und sind bei öffentlichen Stadtteilfesten anzutreffen. Wir arbeiten unter anderem mit Schulklassen und anderen lokalen und regionalen Institutionen zusammen. Durch unsere Arbeit wollen wir die Geschichte des Roten Nowawes mehr im Stadtbild des Stadtteils verankern.

Wie arbeitet der Verein?

Auf unserer Homepage informieren wir regelmäßig über die Vereinstätigkeiten und unsere Arbeit. Unser Verein besteht aus einem dreiköpfigen Vorstand und seinen Mitgliedern. Selbstverständlich sind auch neue Mitglieder, die uns aktiv oder passiv bei unserer Arbeit unterstützen möchten, jederzeit gerne willkommen. Unsere regelmäßigen Treffen führen wir hauptsächlich im Heidehaus durch, wo wir auch postalisch zu erreichen sind. Am besten sind wir über den E-Mail-Kontakt zu erreichen oder Sie sprechen uns auf unseren Veranstaltungen an.

Wie können Sie unterstützen?

Für die erinnerungspolitische Arbeit brauchen wir ihre Unterstützung. Wir sind immer auf der Suche nach Informationen zu Ereignissen und Personen aus Nowawes. Außerdem suchen wir Dokumente, Fotos und sonstige Materialien, welche die Geschichte des Roten Nowawes darstellen. Wir leben von unseren Mitgliedsbeiträgen und der ehrenamtlichen Arbeit. Auch mit einer Spende (DE52 1605 0000 1000 6564 69 bei der MBS Potsdam) können sie uns gern unterstützen, wir sind als gemeinnützig vom Finanzamt Potsdam anerkannt. Für eine Mitgliedschaft kontaktieren Sie uns gerne.

Heimstätte und Postadresse:

Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e. V.
c/o Heidehaus
Großbeerenstraße 98a
14482 Potsdam

E-Mail: kontakt@rotes-nowawes.de