Wer war Herbert Ritter, und wo ist seine Grabstätte? Ältere Babelsberger werden sich zumindest erinnern, dass es einstmals eine nach ihm benannte Straße gab, die heutige Bendastraße. Manch eine Person kennt das Babelsberger Kulturhaus unter diesem Namen. Noch weniger werden etwas über seine Grabstätte wissen.
Herbert Ritter wurde am 27.04.1914 in Nowawes geboren. Mit seiner Familie lebte er als drittes Kind einer Arbeiterfamilie in der damaligen Marienstraße 33 (heutige Semmelweißstraße). Sein Vater arbeitete als Kutscher und später als Kohlearbeiter. Seine Mutter war Hausfrau und soll regelmäßige Kirchgängerin gewesen sein. Herbert Ritter besuchte die Volksschule und begann im Jahr 1929 eine Schmiedelehre. Durch Schikanen seines Lehrmeisters brach er die Lehre ab und arbeitete später für die ortsansässige große Maschinenbau- und Lokomotivfabrik Orenstein & Koppel. Er trat 1930 dem Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD) bei.
In jener Zeit, in der Weimarer Republik, spitzte sich die gesellschaftliche Situation immer weiter zu. Orte, wie das industriell geprägte Nowawes, waren eine Heimstätte der Arbeiterbewegung, während die Beamtenstadt Potsdam eher konservativ und der ländliche Raum gar politisch rechts geprägt waren. Schwer von der Weltwirtschaftskrise getroffen, wankte die erste Demokratie auf deutschen Boden und an ihren Rändern positionierten sich extreme Kräfte, allen voran rechte, völkische und antisemitische Strömungen, unter der die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) den Ton angab. Politische Gewalt war zum Alltag in der Weimarer Republik geworden.
Leider auch in Nowawes. Am 12. November 1931 kam Herbert Ritter von einer Veranstaltung der KJVD und wurde auf dem Heimweg von Günter Güstrau, der mit den Nationalsozialisten sympathisierte, auf dem Friedrich-Kirch-Platz (heutiger Weberplatz) niedergeschossen. Ohne Wortwechsel, so beschreibt es die Brandenburger Zeitung vom 13. November 1931, schoss Güstrau los. Hierbei erhielt der Nowaweser Kommunist Herbert Ritter am Abend gegen 19 Uhr einen Herzsteckschuss. Der schwer Verwundete lief noch ungefähr 500 Meter bis zur Arbeitersamariterwache in der Priesterstraße, wo er schließlich zusammenbrach. Auf dem Transport zum Kreiskrankenhaus verstarb Herbert Ritter.
Die Todesnachricht von Herbert Ritter verbreitete sich in Windeseile in der Stadt Nowawes. Die Aufregung war groß, überall standen kleinere und größere Gruppen und diskutierten über den Mord. Verschiedentlich musste die Polizei einschreiten und die Menge vertreiben, so berichtete es die lokale Presse. Gegen 22.30 Uhr wurde der Friedrich-Kirch-Platz von der Polizei abgesperrt und der Kriminalrat Degener erschien mit seinem Beamtenapparat zu einem Lokaltermin. Ungefähr zur gleichen Zeit zerschlug man den Schaukasten der Papierhandlung Rohrbach, wo das Nazi-Presseorgan „Völkische Beobachter“ ausgehangen wurde und entwendete diesen. Rohrbach, der Inhaber der Papierhandlung war ein altbekannter Nationalsozialist. Sein Laden befand sich in der Lindenstraße 44, der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße.
Bereits zuvor war das politische und gesellschaftliche Klima in Nowawes vergiftet. Immer mehr trauten sich die vor allem von auswärts kommenden Nationalsozialisten durch die Straßen und bedrohten die lokale Bevölkerung sowie ihren „politischen Gegner“. Auf die nationalsozialistischen Entwicklungen wurde im Vorfeld mehrmals, wie im Potsdamer Volksblatt hingewiesen, so auch auf das Geschäft in der Lindenstraße 44. Ein Großteil der Presse jedoch, ebenso wie Justiz und Politik, nahm die Hinweise nicht ernst und fabulierte stattdessen von der kommunistischen Gefahr. Es war zu jener Zeit offensichtlich, dass linke Arbeiter, Antifaschisten und Kommunisten, von diesen anders behandelt wurden, als Nationalsozialisten. Die Strafverfolgung von rechter Gewalt durch den Staat verkam zur Posse, denn für die staatlichen Repressionsorgane saß der Feind eindeutig links, was unter andere der Publizist Emil Julius Gumbel in einer Übersicht der politischen Morde feststellte.
Daher wurde gegen Günter Güstrau anschließend auch nicht wegen versuchten und vollendeten Totschlags ermittelt. Übriggeblieben war lediglich eine Anklage wegen unbefugten Waffenbesitzes. Damit wurde Güstrau eine Notwehr zugestanden. Gegen die Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetzes legte er Berufung ein. Vertreten wurde Güstrau, der inzwischen? NSDAP-Mitglied geworden war, durch den NSDAP-Anwalt Viek. Das Strafmaß verkürzte man von den anberaumten sechs Monaten auf 14 Tage, die durch die Untersuchungshaft als verbüßt angesehen wurden. Als freier Mann verließ der Todesschütze den Gerichtssaal.
Herbert Ritter wurde am Nachmittag des 19. Novembers, also eine Woche nach seinem Tod, auf dem Friedhof in der Großbeerenstraße beerdigt. Bereits zuvor rief die KPD zum Streik am Tag der Beisetzung auf. Auf der Beerdigung sprachen neben Artur Becker, dem Vorsitzenden des KJVD, auch Paul Bube von der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), sowie Angehörige des Reichsbanners der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Bemerkenswert zu jener Zeit war, dass sich alle beteiligten Personen für die Einheitsfront gegen den Faschismus aussprachen, obwohl die Organisationen sonst eher gegeneinander kämpften.
Der Grabstein von Herbert Ritter entstand nach den Plänen des Nowaweser Kommunisten und Architekten Walter Klausch. Dieser war als Politischer Leiter der KPD in Nowawes tätig und gehörte zu den ersten Todesopfern nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933, ermordet im Konzentrationslager Oranienburg. Den Grabstein finanzierte man aus Geldsammlungen der KPD und des KJVD. Er war bei seiner Fertigstellung mit einem fünfzackigen Kupferstern geschmückt. Auf dem Stern wurden der Name und die Lebensdaten Ritters eingraviert. Der Sozialdemokrat und Friedhofsarbeiter Otto Oerlecke rettete schließlich den Grabstein, als die Nazis den Auftrag gaben, diesen zu beseitigen.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus im Jahr 1945 wurde der Grabstein erneuert, der Stern repariert und wieder neu auf dem Friedhof aufgestellt. In der antifaschistischen Staatsdoktrin der DDR hatte der junge Herbert Ritter als erstes Mordopfer des Faschismus eine besondere Stellung inne. 1946 wird die Kirchstraße in Herbert-Ritter-Straße (heutige Bendastraße) umbenannt. Es wurde eine Herbert-Ritter-Plakette der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in Potsdam für hervorragende Leistungen vergeben. Zudem erhielt das Kulturhaus in Babelsberg seinen Namen. Ferner führte eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) des Maurer-, Zimmerer- und Fliesenlegerhandwerks seinen Ehrennamen und auch eine Schule im Wohngebiet Gluckstraße wird nach Herbert Ritter benannt.
Im Jahr 1974, zum 60. Geburtstag von Herbert Ritter, wurde schließlich eine neue Grabstätte eingeweiht. Den künstlerischen Entwurf lieferte der bekannte Potsdamer Bildhauer Walter Bullert, die Arbeiten an dem neuen Gedenkstein führte die PGH Naturstein durch. Am Vormittag des 27.04.1974 fand eine kleine Feier zur Einweihung der neuen Gedenkstätte statt. Mit dabei waren die Kollektive, die seinen Namen trugen sowie Pioniere und Mitglieder der Freien Deutsche Jugend (FDJ) der gleichnamigen Schule.
Heute vor 50 Jahren wurde also diese bis heute bestehende und unter Denkmalschutz stehende Grabstätte eingeweiht.
Während in der DDR das Gedenken an Herbert Ritter omnipräsent war und staatlich gefördert wurde, verschwand durch die politische Wende und die Wiedervereinigung sein Name und sein Gedenken aus dem Bild der Öffentlichkeit. Erst im Jahr 2010, als die aus Granit bestehende und anlässlich des 50. Jahrestages der Ermordung von Herbert Ritter am 12.11.1981 eingeweihte Gedenktafel am Weberplatz, wieder eingeweiht wurde – die Gedenktafel lag jahrelang hinter einem Werbeschild der IHK – begann erneut eine Erinnerungs- und Gedenkkultur. Diese wurde maßgeblich von Fußballfans des SV Babelsberg 03 und Organisationen wie der VVN-BdA aus Potsdam initiiert. Seitdem wird wieder regelmäßig an Herbert Ritter erinnert, auch durch die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes.
Zeitungsartikel aus dem 1974 zu Einweihung der Grabstätte:
Kollektive ehren Herbert Ritter (Märkische Volksstimme, 27.04.1974)
Herbert Ritter, Sohn eines Arbeiters, bereits mit 16 Jahren Jungkommunist, wurde am Abend des 12. November 1931 von Faschisten hinterrücks ermordet. Heute wurde er 60 Jahre alt.
In Verbindung mit dem Antrag des Mitarbeiterkollektivs des Kulturhauses Babelsberg, diese Einrichtung in Kulturhaus „Herber Ritter“ umzubenennen, nehmen sich die staatlichen Kulturhäuser der Stadt Potsdam gemeinsam mit den Herbert-Ritter-Kollektiven vor, die Grabstätte dieses jungen Patrioten auf dem alten Friedhof Babelsberg in der Ernst-Thälmann-Straße in einen würdigen Zustand zu bringen.
Auf der Grundlage eines künstlerischen Entwurfes des Bildhauers Walter Bullert entstand durch die PGH Naturstein ein neuer Gedenkstein.
Heute um 11 Uhr wird während einer kleinen Feier die neue Gedenkstätte eingeweiht. Herbert Ritter ist nicht umsonst gestorben. Er ist heute Vorbild für die Pioniere und FDJler der Oberschule 34, die seinen Namen trägt, und für die anderen Herbert-Ritter-Kollektive, die am heutigen Vormittag bei der Feierstunde dabeisein werden.
Gedenkstein für das Grab von Herbert Ritter – Heute Treffpunkt auf dem Alten Friedhof (BNN, 27./28.04.1974)
Heute würde der 1931 ermordete Babelsberger Jungkommunist Herbert Ritter 60 Jahre alt werden. Der Arbeitersohn wurde bereits mit 16 Jahren Jungkommunist. Am 12. November 1931 wurde er auf dem Weberplatz von einem Faschisten hinterrücks erschossen.
In Verbindung mit dem Antrag der Mitarbeiter der Kulturhauses Babelsberg, ihrer Einrichtung den Namen „Herbert Ritter“ zu verleihen, haben die Staatlichen Kulturhäuser gemeinsam mit den „Herbert-Ritter“-Kollektiven die Grabstätte dieses Patrioten auf dem Alten Friedhof in der Ernst-Thälmann-Straße zu einer Gedenkstätte umgestaltet. Nach einem künstlerischen Entwurf des Bildhauers Walter Bullert entstand durch die PGH Naturstein ein neuer Gedenkstein (unser Foto). Für die würdige Instandsetzung des Grabmals sorgten außerdem besonders der VEB Grünanlagen, die PGH „Herbert Ritter“ und die Abteilung Örtliche Versorgungswirtschaft beim Rat der Stadt. Heute um 11 Uhr wird die neue Gedenkstätte eingeweiht.
Herbert Ritter ist nicht umsonst gestorben. Er ist heute Vorbild für die Pioniere und FDJler der Oberschule 34, die seinen Namen trägt und für die anderen „Herbert-Ritter“-Kollektive, die bei der Feierstunde dabei sein werden.