Novemberrevolution 1918

Die Jahre von 1918 bis 1923 waren in Deutschland die Zeit der revolutionären Kämpfe. Der Höhepunkt war zweifelsohne die Novemberrevolution 1918/1919. Ursächlich für den Ausbruch der Novemberrevolution waren die Erlebnisse des Ersten Weltkrieges und die daraus resultierende soziale und politische Misslage im Land sowie in Europa. Wenn sie doch auch scheiterte, erreichte sie Großes. Sie brachte den Frieden, beendete die Monarchie und schuf die Demokratie, konnte zeitweise den deutschen Militarismus besänftigen und sorgte vor allem für soziale Rechte für eine Mehrheit der Bevölkerung.

Auch in Nowawes hatte der Erste Weltkrieg katastrophale Folgen für die Bevölkerung und die Gemeinde Nowawes. Innerhalb dieser vier Jahre starben 783 Männer auf den Schlachtfeldern. „Während in Firmen, wie Orenstein & Koppel (O&K) und Wollmershäuser & Gurth, die Rüstungsgüter produzierten, die Produktion florierte, kam es in den Webereien, die vor allem überseeische Rohstoffe verarbeiteten, zu Massenentlassungen.“ (1) Einige Fabriken hörten ganz auf zu produzieren, andere verringerten drastisch ihre Mitarbeiter*innen. Die soziale Lage war dramatisch, es herrschten Armut und Hunger im Jahr 1918.

Während des Krieges, besonders jedoch in den letzten beiden Kriegsjahren, kam es zu stetigen Protesten und Demonstrationen, so auch in den großen Nowaweser Fabriken. Erwähnt seien hier die Aprilstreiks des Jahres 1917, vor allem bei Orenstein & Koppel, in der Schuhfabrik Haase und Ruß, bei der Deutschen Jutespinnerei und in der Norddeutschen Kammgarnspinnerei. Am 16.04.1917 zogen 1000 Personen durch die Nowaweser Straßen. Im Zuge der Oktoberrevolution nahmen die politischen Proteste noch einmal an Fahrt auf und im Dezember 1917 sowie im Januar 1918 gab es weitere vielfältige Aktionen, Demonstrationen und Streiks. Aufgrund der prekären wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lage war der Nährboden für die Novemberrevolution 1918 vielerorts geschaffen. Die Forderungen waren nun von politischer Natur. (2)

Ein erstes Heranführen an die revolutionäre Programmatik erfüllte der Spartakusbund, dessen in Berlin produzierte Schriften und Texte auch in den Fabriken von Nowawes verteilt wurden. Der innerdeutsche Bruch der Sozialdemokratie, gerade wegen der Unterstützung der SPD für den Krieg, sorgte auch für die Gründung einer USPD-Gruppe in Nowawes. In ihr fanden sich vor allem Kriegsgegner und jene Personen, die nichts mit der „alten Sozialdemokratie“ am Hut haben wollten. In Nowawes war dies sogar die Mehrheit der Sozialdemokraten. Trotzdem sei darauf hingewiesen, dass auch die USPD sehr differenziert zu betrachten war. Zwar schloss sich die oppositionelle Spartakus-Gruppe der USPD an, behielt aber ihre Autonomie und trat 1918 wieder aus. (2) Aus ihr sollte schließlich die zukünftige Kommunistische Partei entstehen. Für Nowawes ist allerdings nicht ganz klar, wann eine Gruppe des Spartakusbundes gegründet wurde. Hierzu gibt es unterschiedliche Angaben (eine Gruppe des Spartakusbundes bestand wohl schon seit 1917 bei O&K unter Führung von Albert Richter, Christian Seidel, Hermann Dummer und Hans Wittke). (3)

Ebenfalls nicht ganz eindeutig sind die Ereignisse in der Nacht vom 09.11.1918 zum 10.11.1918. Hier gibt es unterschiedliche Quellen zur Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates. Geschah dies schon am Abend des 09.11., wie in einigen Quellen nachzulesen ist, oder erfolgte die Konstituierung im Rathaus Nowawes, nach dem am Abend die Besetzung und das Hissen der roten Fahne erfolgte, erst am Folgetag? Klar scheint, dass bei Orenstein & Koppel am dem Vormittag des 09.11.1918 gestreikt wurde, dort bereits revolutionäre Arbeiterausschüsse gebildet wurden und dass sich schließlich am Nachmittag die USPD-Genossen in ihrem damaligen Lokal Hiemke trafen, um die Meldungen aus Berlin abzuwarten. Am Abend trafen dann einige Personen aus Berlin wieder in Nowawes ein. Wie der unten angefügten Chronik zu entnehmen ist, bildete sich ein Demonstrationszug, besetzte man daraus das Rathaus, wurde die Gemeindekasse bewacht und in der Nacht Streifen gelaufen.

Am 10.11.1918 konstituierte sich dann der Arbeiter- und Soldatenrat, der aus folgenden Personen bestand: Paul und Arno Neumann, Karl Dürre, Franz Güth, Josef Chzelig, Paul Wolter, Emil Treptow (alle USPD) und Max Singer sowie Wilhelm Schulz (SPD). In den Soldatenrat wurde laut Robert Jahn unter anderem ein Wachtmeister der Gelben Ulanen aus Potsdam gewählt, die den Nowaweser Revolutionären militärische Unterstützung geben sollten. Während die Streifen in jener Nacht noch je aus vier sozialdemokratischen Genossen und einem Soldaten bestanden, war der Nowaweser Rat mehrheitlich von Arbeitern geprägt, in der auch der Führungsanspruch der USPD zur Geltung kam. Besonders beschäftigte sich der Nowaweser Arbeiter- und Soldatenrat mit der sozialen Frage, der Bürgermeister Winkelmann wurde abgesetzt und eine rote Sicherheitswehr aufgestellt.

(1) Püschel, Almuth: Neuendorf-Nowawes-Babelsberg, 2000, S. 66

(2) Götzmann, Jutta, Nitz, Wenke: Umkämpfte Wege der Moderne, 2019, S. 51

(3) Krause, Hartfried: USPD – Zur Geschichte der USPD, 1975, S. 112

Chronik:

09.11.1918

8 Uhr: 12 Genossen verteilen ab 8 Uhr Flugblätter bei Orenstein & Koppel, die Flugblätter informieren über die revolutionären Ereignisse in Kiel, Hamburg und anderen Städten

Vormittag: Diskussionen ob es zum Streik kommen soll, eine Reihe von SPD-Führern sprachen sich gegen jede revolutionäre Handlung aus, „Ruhe bewahren, keine revolutionären Handlungen gegen die Regierung, in der SPD-Führer sitzen“, außerdem revolutionäre Obleute bei Orenstein & Koppel anstatt der alten Arbeiterausschüsse

11 Uhr: Streik bei Orenstein & Koppel, überwiegende Mehrheit verlässt den Betrieb, die anderen müssen sich dem Schicksal beugen

Unentschlossenheit am Nachmittag, was nun geschehen soll, viele Arbeiter*innen fahren nach Berlin, dem Aufruf folgend dort die revolutionären Ereignisse zu unterstützen und Direktiven der Parteiführung zu holen

Nachmittag: USPD-Genossen treffen sich im Lokal Hiemke

20 Uhr: Funktionäre der Partei, darunter die Genossen Karl Dürre, Paul und Arno Neumann, Emil Treptow, Oskar Reipert, Franz Güth u.a. kommen aus Berlin zurück, es wird beschlossen das Rathaus zu besetzen, Kontakt zum bereits in Potsdam am Nachmittag gebildeten Arbeiter- und Soldatenrat, es wird militärische Unterstützung angefordert

Später am Abend: Von Potsdam kommt eine Gruppe der Gelben Garde-Ulanen unter Führung eines Wachtmeisters aus Nowawes, die Gruppe wird von den Nowaweser Genossen (rund 15 Leute) am Bahnhof abgeholt, Marsch zum Rathaus Nowawes unter Mitnahme des alten Parteibanners und roter Fahnen, es beteiligen sich 50 bis 70 Demonstranten, Gendarmerie wird gegenüber des Rathauses Nowawes festgesetzt, sie ergriffen die Flucht als revolutionäre Soldaten ihre Waffen klar machten, Besetzung des Rathauses, alle Türen waren auf und nur der Pförtner war anwesend, Bewachung der Gemeindekasse und Hissen der roten Fahne

Nacht: Durch gebildete Streifen (vier Genossen und ein Soldat) herrscht Ruhe in den Straßen

10.11.1918

7 Uhr: gegenüber dem Rathaus kommt es zum einzigen Vorfall während der revolutionären Ereignisse, ein junger Leutnant in voller Uniform und mit Kriegsschmuck wird von Arbeitern angehalten und umringt, Beruhigung der Situation nachdem von ihm verlangt wird, dass Rangabzeichen und Orden entfernt

Morgen: Gendarmerie gegenüber des Rathauses übergibt Waffen

Im Laufe des Tages: Bildung des Arbeiterrates in Nowawes im großen Saal der Gemeindevertretung  im Rathaus

Alle Daten zur Chronik wurden hieraus entnommen:

Potsdamer Arbeiter erzählen 1918/1919, SED Stadtleitung Potsdam, 1959

Potsdam während der Novemberrevolution, SED Bezirksleitung Potsdam, 1973