Die Arbeit füllte zwar den hauptsächlichen Teil des Lebens von Arbeiter*innen aus, doch mit dem Sonntag, den verschiedenen Feiertagen und vor allem mit der Verkürzung des Arbeitstages, erreicht durch jahrelange Kämpfe und Streiks der Arbeiter*innen, konnte auch die Zeit des Feierabends freier gestaltet werden. Wegen der beengten und teilweise auch ungesunden Wohnverhältnisse (dunkel, feucht und kalt usw.), fand ein Großteil der Freizeit außerhalb der eigenen vier Wände statt. Während Kinder und Frauen aus den Arbeiter*innenfamilien häufig ihre Zeit auf der Straße oder im Hof verbrachten, war für die Arbeiter die Kneipe der ideale Ort der Zusammenkunft, des Genusses, aber auch der Politisierung.
Dabei müssen die Kneipen, wie gerade schon angeschnitten, aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen werden. Kneipen in Nowawes waren Orte der Abwechslung und der Flucht aus dem harten Arbeiteralltag. Generell spielte der Konsum von Alkohol eine große Rolle. „Der dort konsumierte Alkohol war Teil einer – männlich geprägten – Geselligkeitskultur, die gemeinschaftsstiftend wirken konnte und Arbeitern unterschiedlicher Berufs- und Betriebszugehörigkeit Gelegenheit zu Meinungsaustausch und Meinungsbildung gab. Außerdem konnte von einem täglichen Besäufnis in Wirklichkeit nicht die Rede sein – dazu reichte schon das Geld nicht aus; vor allem aber musste der Lebensunterhalt verdient werden, und dies ließ sich nur realisieren, wenn man regelmäßig und leistungsfähig zur Arbeit kam.“ (Jürgen Kocka, Arbeiterleben und Arbeiterkultur, Dietz 2015, S. 308-309).
Das aber der übermäßige Konsum von Alkohol keine Seltenheit war und Trunkenheit in der Arbeiter*innenschaft ein gesellschaftliches Thema war, lässt sich jedoch nicht leugnen. Dies traf auch auf Nowawes zu, so gab es Diskussionen um die Nutzung des Ratskellers im Rathaus von Nowawes. Als 1928 die Polizeidienststelle auszog, mussten sich die Stadtverordneten mit der Nachnutzung auseinandersetzen. Protest für eine erneute Nutzung als Schankwirtschaft gab es unter anderem vom CVJM, vom Pfarrer der Friedrichskirch-Gemeinde und vom Deutschen Verein gegen den Alkoholismus. „Der Pfarrer Hasse wies mit Recht darauf hin, dass 75 Schankstätten im Verhältnis zur Nowaweser Bevölkerung schon viel zu viel seien, und dass besser daran getan sei, ein preiswertes Angebot an alkoholfreien Erfrischungen zu etablieren.“ (Keller: Zur Geschichte des Babelsberger Rathauses (1900-1956), S. 45)
„Der Bierabend zählte am Beginn unseres Jahrhunderts zur bedeutendsten politischen Gesellungsform der Arbeiter, verband doch gerade die Freude am Biertrinken viele Arbeiter mit der Politik. Begünstigend kam hinzu, dass fast alle Wirtschaften ihren Gästen neben Bier und Schnaps auch Billard und Skat, Musik, Lotterien und Wetten bzw. ähnliche Glücksspiele anboten. So waren Kneipen, Gasthäuser u.ä. mehr als Orte des Genießens, Kommunizierens und Spielens unter seinesgleichen; sie waren Stätten politischer Kultur (…).“ (Jacobeit: Illustrierte Alltags- und Sozialgeschichte Deutschlands 1900-1945, S.270) Herauszustellen ist, dass sich eine übermäßige Konzentrierung von Kneipen vor allem auf Bereiche abspielte, wo viele Arbeiter*innen lebten oder Betriebe ihren Sitz hatten. In Nowawes ist dies vor allem in den Bereichen der heutigen Großbeerenstraße, links und rechts der Karl-Liebknecht-Straße, der Karl-Gruhl-Straße oder auch rund um die Straße Alt Nowawes zu beobachten. Als Vergnügungslokale zum Tanzen dienten diese Kneipen nicht, sondern nur um schnell eine „Molle und einen Schnaps“ zu trinken. Im besten Fall gab es ein paar Würstchen oder Bouletten zu essen. In den Kneipen verkehrte meist ein Stammpublikum, also Gäste, die immer wieder in die gleiche Kneipe kamen. Neben der angesprochenen räumlichen Aufteilung nach Wohnort oder Arbeitsstätte, die einen Teil des Stammpublikums ausmachten, waren es auch bestimmte Berufsgruppen, die sich beim Vor- oder Sitznamen kannten, oder „sie fungierten als (oft auch politisches) Vereinslokal.“ (Lange: Berlin in der Weimarer Republik, S.592) Dazu werden wir gleich noch einmal näher kommen.
„Die Kneipe war ein Ort, an dem durch Gespräche, Unterhaltung, Kartenspiel und Kegeln eigenständige Arbeiterfreizeit praktiziert werden konnte. Sie war ein Ort, der sich zum Politisieren eignete. Solange der entstehenden Arbeiterbewegung wie meist im 19. Jahrhundert keine eigenen Räume zur Verfügung standen, war es die Kneipe beziehungsweise der abgetrennte Saal eines Lokals, in dem sich interessierte Arbeiter und Handwerker trafen, um Zeitungen und programmatische Texte zu lesen, zu diskutieren und gegebenfalls ihre Vereinsangelegenheiten zu besprechen.“ (Jürgen Kocka, Arbeiterleben und Arbeiterkultur, Dietz 2015, S. 310) Und auch in Nowawes fanden die Organisierung und die Politisierung der Arbeiter*innenschaft, neben dem Arbeitsort, in den Kneipen und Schankwirtschaften statt. Exemplarisch hierfür stehen verschiedene Lokale, die wir folgend näher beschreiben.
Die Mehrzahl der schon zu Beginn der Kaiserzeit in Nowawes und Neuendorf vorhanden Gastwirtschaften waren weitestgehend unpolitische Schänken, zumal die meisten Wirte mit Argusaugen darauf achteten, dass – selbst „im Suff“ – keine politischen Reden gehalten wurden. Da die aufkommende sozialdemokratische Arbeiterbewegung, erst Recht während der Sozialistengesetze (1878 – 1890) unter ständiger Beobachtung der preußischen Polizei auch in Nowawes stand, waren nur sehr mutige und findige Gastwirte bereit, ihr Haus den „Staatsgefährdern“ zur Verfügung zu stellen.
So berichtet der „Vorwärts“ von einer ersten sozialdemokratischen Zusammenkunft 1875 im Lokal von „Wollmüller“ in der Lindenstr. Da die Straße bis zur Vereinigung beider Orte de facto die Grenze zwischen Nowawes und Neuendorf war und die Polizei nur örtliche Zuständigkeiten hatte, konnten Arbeiter aus Nowawes bei Gefahr so die Straßenseite hin nach Neuendorf wechseln und sich dem Zugriff der Nowaweser Ordnungshüter entziehen. Während der Sozialistengesetze war jegliche sozialdemokratische Agitation verboten. Dennoch suchte sich auch die Nowaweser Arbeiterschaft getarnte Möglichkeiten, sich zu versammeln. Nachgewiesen ist, dass unter dem Deckmantel des Arbeiter-Sängervereins „Maibund“ seit 1891 in der Wallstr. 55 bei Gärtner und nachfolgend bei Otto Hiemke sich sozialdemokratische Arbeiter versammelten. Um einer solche „staatsfeindliche Zusammenrottung“ zu verhindern – die Sozialdemokratie war jedoch wieder legal – griff die Reaktion zu einer Behördenkeule. So war die Gaststube von Otto Hiemke – ein einfaches Weberhaus aus dem Jahr 1752 mit Anbauten nach 1874 – nach Meinung der Baupolizei für die Ansammlung der Sänger zu niedrig und so sollten die diesbezüglichen Zusammenkünfte untersagt werden. In einer sofortigen Aktion, wurde die Gaststube von Arbeitern durch Bodenaushub niedriger gelegt und somit die Behörde „ausgetrickst“. Noch heute kann man beim Abstieg in die Gaststube diese Geschichte erleben. Es ist nicht zufällig, dass die Arbeiter sich bei Hiemke in der Wallstr. am Rande von Nowawes trafen – dort wo man unter sich war und nicht auf dem polizeilichen Präsentierteller wie in der Linden-, Priester- oder Wihlemstr. Der Mut von Gärtner und Hiemke ist dennoch hervorzuheben!
Mit dem Anwachsen des Nowaweser und Neuendorfer Industrieproletariats nahmen die Bedürfnisse nach größeren Versammlungsräumen zu. Zwar waren die großen Gastwirtschaften auch immer mit großen Säle ausgestattet, aber von den Inhabern eher „bürgerlichen“ und kirchlichen Vereinigungen, die in der Kaiserzeit das öffentliche Leben dominierten, überlassen. So was das „Deutsche Wirtshaus“ und Hilbert`s „Zum Kaiserpark“, Klemm`s „Germania-Säle“ (alle in der Wilhelmstr.) „Zur Friedensburg“ (Goethestr.) in Nowawes eher Heimstätte von Kriegsvereinigungen und bürgerlichen Gesangsvereinen. Ähnliches lässt sich über das Neuendorfer Schützenhaus (Großbeerenstr.) oder anfänglich auch „Zur freien Aussicht“ (Bahnhof Drewitz) sagen. Der Wirt des letzteren Lokals, Wilhelm Schulz, wurde von der Polizei so unter Druck gesetzt, dass es eine angemeldete sozialdemokratische Versammlung absagen musste.
Um Überhaupt eine Chance auf die Nutzung von Räumen in Gastwirtschaften zu erlangen bildete der sozialdemokratische Wahlverein eine „Lokalkommission“. Ihre Aufgabe war die Akquise von Gasträumen und auch die Propaganda von „Bierverboten“ den Lokalen gegenüber, die Arbeiterversammlungen nicht zuließen. Neben der kleinen Gastwirtschaft von Otto Hiemke, wurde seit der Jahrhundertwende der „Volksgarten“ (Priesterstr. 31, heute Karl-Liebknecht-Str. 36) zu dem zentralen Versammlungslokal der aufstrebenden Nowaweser Arbeiterbewegung – und dies noch in der Hauptgeschäftsstr. des Ortes! Schon die ersten Inhaber, eine Frau Simon und ein Hr. Bernhard öffneten den Arbeiter*innen die Tore. Seit 1905 war mit dem neuen Gastwirt und SPD-Mitglied Robert Godglück schon für jeden Ordnungshüter sichtbar, welche Musik im Volksgarten gespielt wurde. Mit der Übernahme des Lokals durch den bedeutsamen Nowaweser Sozialdemokraten Max Singer war der nunmehrige „Singer`s Volksgarten“ bedeutender Veranstaltungsort des sozialdemokratischen Wahlvereins vor dem 1. Weltkrieg. Hier traten u.a. Karl Liebknecht, Wilhelm Pieck und Clara Zetkin auf.
Der Andrang und der Bildungshunger der Nowaweser Arbeiterschaft bei gleichzeitiger Ausgrenzung aus den anderen bürgerlichen Lokalen war die Lokalkommission des Wahlvereins auf der Suche nach einem zweiten größeren Veranstaltungslokals. Fündig wurde man bei den „Deutschen Festsälen“ (Garnstr., Ecke Alt Nowawes). Die der Sozialdemokratie nahestehende Gastwirte Ernst Schmidt und Hermann Wolfgram waren Gastgeber großer Volksversammlungen des sozialdemokratischen Wahlvereins und der Freien Gewerkschaften. Beim Auftritt von Rosa Luxemburg am 13.12.1911 drohte der Saal aus allen Nähten zu platzen.
Die jährlichen Feiern und Umzüge zum Ersten Mai – der noch kein arbeitsfreier Tag war – fanden Anfang und Ende sowohl bei Singer als auch in den „Deutschen Festsälen“. Die wirtschaftliche Notlage und das Alter einiger Gastwirte führten zur Schließung beider bedeutsamer Versammlungsstätten der Nowaweser Arbeiterbewegung in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg. Der auch kommunalpolitisch aktive Sozialdemokrat Paul Singer, der in und nach der Revolution bei der „Ebert-SPD“ bleib, gab den Volksgarten auf, kaufte das Nebengebäude und richtete dort „Cafe und Konditorei Singer“ ein. Die „Deutschen Festsälen“ wurde Heimstatt verschiedener Nowaweser Firmen.
Nach der Revolution 1918/19 war der Bann der Ausgrenzung der politischen Arbeiterbewegung auch in Nowawes gebrochen, zumal der Zulauf der Arbeitermassen den Gastwirten auch gutes Geld versprach. So nutzenden in den Nachkriegsjahren die USPD als stärkste der Arbeiterparteien, aber auch die MSPD und die KPD die großen Säle im Gesellschaftshaus „Zur Turnhalle“ in der Auguststr. 47 (Tuchmacherstr.) und „Klemm`s Festsäle“ in der Wilhelmstr. 116 (Alt Nowawes).
Im Gegensatz zu den erwähnten großen Gastwirtschaften mit angeschlossenen Festsälen gab es natürlich auch eine Vielzahl kleiner und kleinster Arbeiterkneipen. Ein Teil von ihnen firmierte als „Parteilokal“, da sie sich eine bestimmten politischen Klientel bedienten, weil entweder der Kneipeninhaber selbst politisch engagiert oder zumindest ein Sympathisant war oder weil man es sich eben aus sozio-ökonomischen Gründen mit einer bestimmten politischen Gruppe identifizierte und ihr einen Stammtisch oder ein Hinterzimmer überließ.
Einen Aspekt dürfen wir in der Betrachtung der Kneipen und Schankwirtschaften jedoch nicht vergessen, nämlich dass diese sehr stark von den Arbeitern, also von Männern, dominiert wurden und Frauen nur ungenügend Zugang zum politischen Leben hatten. Zum einen war die Kneipe eher eine Männerdomäne und Frauen im Kneipenleben nicht gern gesehen. Zum anderen konnten sie damit nicht richtig am politischen Leben partizipieren, da sich dieses und das Parteileben von SPD, USPD und KPD sowie anderer politischer Organisationen hauptsächlich in den Kneipen abspielten. Neben dem in der Gesellschaft allgemein verankerten patriarchalen Ideen sorgte somit das Kneipenleben, vielleicht auch unbewusst, für eine Dominanz der Männer in der Politik, während die Frauen mit Haushalt und Lohnarbeit nicht nur doppelt belastet waren, sondern häufig auch von zu Hause aus die politische Arbeit ihrer Männer unterstützen, zum Beispiel in Geldsammlungen.
Nachdem sich der linke Flügel der stärksten Nowaweser Arbeiterpartei, der USPD, 1920 mit der KPD vereinigte und die verbliebenden USPDler*innen 1922 zumeist zur SPD zurückgingen, … hatte auch Auswirkungen auf die „Parteilokale“ in Nowawes. Die SPD, nunmehr stark geprägt von Facharbeitern, Angestellten und Kommunalbeamten fand sich zu im Eisenbahnerhotel (Eisenbahnstr. 11, heute: Karl-Liebknecht-Str.5) zusammen. Der Inhaber Paul Reinhardt war Sozialdemokrat und der der langjährige SPD-Vorsitzende von Nowawes, Karl Krohnberg, betrieb im Nachbarhaus Nr. 10 eine Buchhandlung mit Zeitungsvertrieb. Als Ausweiche traf sich der SPD-Vorstand auch im Lokal von Otto Gebauer in der Wallstr. 62, dass auch Kommunisten und verschiedenen Arbeiterorganisationen offen stand.
Für das „kommunistische Milieu“ in Nowawes hatten die Arbeiterkneipen ein weit größere Bedeutung, zumal sich die lokalen KPD-Strukturen („Zellen“) dort trafen. Im Zuge der Berliner Parteikonferenz der KPD Ende des Jahres 1925 versuchte die Partei nach einigen Misserfolgen, dem gescheiterten Hamburger Aufstand 1923 und den heftigen parteiinternen Auseinandersetzungen eine Neustrukturierung ihrer Parteiarbeit. So sollten nun für die Basisarbeit und die Verankerung in der Arbeiter*innenschaft Betriebszellen reorganisiert werden und dort, wo es keine Mitglieder in großen Betrieben gab, diese in Straßenzellen zu organisieren. Die Straßenzellen gliederten sich nach den Wohngebieten und galten als die unterste Organisationseinheit der Partei. In Nowawes gab es sechs Straßenzellen, die sich sozialräumlich auch ihren Treffpunkt, also ihr Parteilokal, auswählten. Neben der Lage spielte natürlich auch die (politische) Verlässlichkeit des Kneipeninhabers eine Rolle, der wiederum das Risiko von politischen, polizeilichen und manchmal auch handfesten Auseinandersetzungen eingehen musste.
Für die KPD-Zelle 1, mit ihrem räumlichen Schwerpunkt um das heutige Alt Nowawes herum, gab es mit der Gaststätte von Alfred Pelz in der Mühlenstraße 7 ein passendes Lokal. Hier traf sich auch der RFB und wurden auf dem Hof zu bestimmten Festlichkeiten auch Karussell und Preisschießen veranstaltet. Im Lokal Pelz hatte auch die Nowaweser Schalmeienkapelle und auch die „Roten Pioniere“ und die Kommunistische Jugend trafen sich hier. Die KPD-Zelle 3, die in den Straßen um die heutige Karl-Gruhl-Straße aktiv war, konnte auf eine Reihe von kleinen, teilweise auch politischen Lokalitäten, verweisen. So traf sich die Zelle zuerst bei Hiemke, später dann in der gleichen Straße auch im Parteilokal Ebel in der Wallstraße 16 (Karl-Gruhl-Straße) sowie schließlich im Lokal Gebauer in der Wallstraße 62, welches auch das Stammlokal für den kommunistischen Arbeiter*innensport war. Die KPD-Zelle 6 hingegen, lokal organisiert im Bereich der heutigen südlichen Großbeerenstraße, traf sich in der verrufenen Gegend der sogenannten „Munke“ in der Gaststätte Donner, die sich in der Gartenstraße 13 befand. Warum die KPD-Zellen ihre Parteilokale wechselten, lässt sich nur erahnen. Oftmals mögen es ganz pragmatische Gründe gewesen sein. Vielleicht war der Raum zu klein, der Stammtisch an andere Personen vergeben oder man überwarf sich mit dem Inhaber.
Alt Nowawes 118
In der ehemaligen Wilhelmstr. befanden sich schon seit der Jahrhundertwende die „Germaniensäle“, auch Klemmsche Festsäle genannt. 1912 ist als Inhaberin Witwe Anna Klemm, geb. Gebauer verzeichnete, 1914 werden die Germaniasälen von Oskar Ihlenfeldt betrieben. 1919 firmieren die Säle wieder unter Anna Klemm direkt als Parkrestaurant. 1927 übernimmt dann Erich Müller Klemms Festsäle, wenig später seine Frau Ella Müller. In dieser Zeit nutzte die Nowaweser KPD-Zelle 2 den kleinen Saal als Treffpunkt. 1932 veranstalteten die Nazis mit dem SA-Führer Prinz August Wilhelm von Preußen eine Wahlkundgebung. Mit einer von der KPD organisierten Gegendemonstration, die am Stempelkeller, dem Nowaweser Arbeitsamt in der Anhaltstr. begann, wurde die Nazi-Kundgebung gesprengt. 1939 zogen dann die Studios von Gustav Althoff, dem Mitbegründer der in den 1920er Jahren gegründeten Aafa in das ehemaliges Lokal ein. Parallel wurde neben dem Lokal mit der Errichtung einer zweiten, größeren Halle durch den Architekten Benno-Franz Moebus begonnen. Zusätzlich existierten noch ein Bürogebäude, welches die üblichen Funktionsräume wie Büros, Werkstätten, Garderoben und Fundus enthielt, sowie ein Freigelände für Außenaufnahmen welches direkt an den Babelsberger Park grenzte. Da die Ateliers und deren Träger, die Althoff-Filmatelier-AG, nicht zur Ufa gehörten, fielen die Ateliers nach Ende des Krieges nicht unmittelbar unter die Verwaltung durch die Sowjetische Militäradministration in Deutschland. Die Ateliers wurden zunächst treuhänderisch durch den früheren Ufa-Angestellten Rimmler geführt. Bereits 1945 wurde unter Beteiligung von Ernst Kunstmann mit dem Synchronisieren von sowjetischen Filmen begonnen. So wurde bereits am 15. März 1946 ein Drehbuchvertrag über den Film Die Mörder sind unter uns abgeschlossen und noch im März mit dem Dreh begonnen. Da der Film hauptsächlich zerstörte Wohnungen als Schauplatz aufwies und somit keinen großen Luxus benötigte, waren die beiden Studios gerade ausreichend. Da die Althoff-Ateliers die einzigen von den Sowjetunion für Filmarbeiten freigegebenen Ateliers waren, fand hier am 17. Mai 1946 auch die offizielle Gründung der „Deutschen Film Aktiengesellschaft“ statt. Der sowjetische Oberst Sergei Iwanowitsch Tjulpanow, Leiter der politischen Abteilung der SMAD, überreichte dem ersten DEFA-Direktor Hans Klering die Lizenz für den ersten deutschen Produktionsbetrieb. Später richtete die DEFA in den ehemaligen Althoff-Ateliers das Studio für Dokumentarfilme ein.
Gartenstr. 13
Hier befand sich das Arbeiterlokal von Fritz Donner, in dem sich auch die KPD-Zelle 6 traf. In gleichen Haus wohnte der Buchdrucker Hans Ulrich, der bei der „Roten Fahne“ in Berlin arbeitete. Als Mitglied der USPD ging er mit deren Mehrheit 1920 zur KPD und wurde auf Beschluss der Bezirksleitung Berlin-Brandenburg 1931 Politischer Leiter der Nowaweser KPD.
Großbeerenstr. 171
Lokal von Gustav Thomas, später von Fritz Spieß, in dem sich die KPD-Zelle 5 und der kommunistische Einheitsverband der Metallarbeiter, der in Opposition zum Deutschen Metallarbeiterverband stand, traf.
Friedrich-Ebert-Platz 3 (Plantagenplatz)
In der Gast- und Schankwirtschaft von Martin Schötz traf sich ab 1926 für ein Jahr der Rote Frontkämpferbund aus Nowawes. Wegen Mitgliederzuwachs zog man aber ab 1927 weiter in die Mühlenstraße zu „Pelzens“.
Karl-Gruhl-Str. 55
Der Gastwirt Otto Hiemke war ein Urgestein der Nowaweser Arbeiterbewegung. Als Inhaber eines bekannten Arbeiterlokals in der damaligen Wallstr. bot er unterschiedlichen Strömungen der Arbeiterbewegung Möglichkeiten, zusammenzukommen. In der Kaiserzeit firmierte sein Lokal als Vereinslokal des Sozialdemokratischen Wahlvereins Nowawes-Neuendorf. So trafen sich am 3.1.1919 in seinen Gasträumen vorwiegend bisherige USPDler, aus dem Singerschen Volksgarten kommend, um eine Ortsgruppe der KPD zu gründen. Auch die Ortsgruppe des RFB soll hier 1924 ihren Anfang genommen haben. Er selbst wurde als Sozialdemokrat 1902 und 1904 in die Gemeindevertretung von Nowawes gewählt. Während des Kapp-Putsches 1920 wurde er kurzzeitig von der Reaktion als Arbeitervertreter verhaftet.
Während der Novemberrevolution wohnte hier auch der Fliesenleger und Unabhängige Sozialdemokrat Robert Jahn, der am 9.11.1918 das Rathaus Nowawes besetzte.
Karl-Gruhl-Str. 62
Der Gastwirt Otto Gebauer betrieb in der damaligen Wallstr. 62 ein Arbeiterlokal. Von 1928 bis 1933 war das Lokal Gebauer Treffpunkt von Rot-Sport – eine Dachorganisation für den eigenständigen kommunistischen Arbeitersport, so des auch 1928 gegründeten ASV Concordia Nowawes. Nach Information der Kommunistischen Arbeiterzeitung, Organ der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) aus dem Jahre 1929 trafen sich hier auch die KAPDler des 21. Bezirkes an jedem 4. Freitag im Monat um 20.00 Uhr. Das Lokal war gleichfalls Treffpunkt des kommunistischen Einheitsverbandes der Metallarbeiter.
Karl-Liebknecht-Str. 36
Hier, in der ehemaligen Priesterstr. 31, befand sich seit der Jahrhundertwende das bedeutende Arbeiterlokal „Volksgarten“. Als erste Inhaberin ist die Witwe Simon verzeichnet, ihr folgt dann Robert Godglück bevor der Sozialdemokrat Max Singer übernimmt. Er selbst war Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates Nowawes in der Novemberrevolution und seit 1919 bis 1933 Gemeindevertreter bzw. Stadtverordneter in Nowawes. Schon am 30.4.1899 strömen die Nowaweser Arbeiter in den Volksgarten zur Volksversammlung „Die Bedeutung des 1- Mai“ Am 1.5.1899 findet dann die Große Maifeier unter Mitwirkung des Gesangvereins „Arbeiter-Maibund“ statt. 1910 tritt Karl Liebknecht auf: Die preußische Reaktion und der Wille des Volkes, Zeitungsbericht über eine Rede in Nowawes,[Brandenburger Zeitung Nr. 52 vom 2. März 1910.] „Zu einer eindrucksvollen Kundgebung gegen die preußische Reaktion gestaltete sich eine in voriger Woche im Singerschen Lokal in Nowawes abgehaltene Volksversammlung, in welcher der Landtagsabgeordnete Genosse Dr. Karl Liebknecht über das Thema „Preußen-Deutschlands politische Lage“ referierte. Schon lange vor Beginn der Versammlung war der geräumige Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. Um den immer noch heranrückenden Scharen Einlass zu verschaffen, mussten Tische und Stühle entfernt werden. Genosse Liebknecht sprach vor zirka 2000 Personen, Männern und Frauen, oft von lebhaftem Beifall unterbrochen“. In der Zeit der Novemberrevolution wohnt hier auch der Weber und Gewerkschaftssekretär Paul Wolter, der Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates Nowawes ist und 1919 für die USPD Gemeindevertreter wird.
Karl-Liebknecht-Str. 122
Der am 23.3.1862 geboren und am 30.6.1911 verstorbene für die Nowaweser Arbeiterbewegung so bedeutsame Sozialdemokrat Karl Gruhl war seit 1894 bis zu seinem Tode 1911 Gemeindevertreter. 1905 wurde er 2. Vorsitzender des sozialdemokratischen Wahlvereins Nowawes-Neuendorf .Er galt als der „große Kommunalpolitiker der Vorkriegszeit“ und war Gründer der Filiale des Textilarbeiterverbandes in Nowawes. Nach 1900 berieb er als Gastwirt in der damaligen Priesterstr. 69 das Lokal „Zur Markthalle“. Die Ehefrau von Karl Gruhl, Alwine Gruhl, die am 3.1.1862 geboren wurde und am 1.10.1932 verstab, wurde 1925 für die SPD in die Stadtverordnetenversammlung von Nowawes gewählt.
Stahnsdorfer Str. 22
Hier befand sich das Lokal „Birkenwäldchen“ des Gastwirtes Walter Martin. Es war Treffpunkt der KPD-Zelle 5.
Tuchmacherstr. 47
Hier stand das Gesellschaftshaus „Turnhalle“. Im Sommer 1932 fand dort eine große, aber auch einzige Einheitsfrontkundgebung von KPD und SPD statt.