Karl Liebknecht in Potsdam und Nowawes

Einführung

Die Geschichte Karl Liebknechts, einem der wohl bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen und internationalen Arbeiter:innenbewegung, ist eng mit Potsdam und auch Nowawes verknüpft. Zwar ist der Wahlkreis und das politische Wirken von Karl Liebknecht auf der anderen Havelseite zu verorten, also in Potsdam, nichts desto trotz hat er auch seine Spuren im „Roten Nowawes“ hinterlassen und mehrere anstehende Jahrestage veranlassen uns als Geschichtswerkstatt dazu, ihn entsprechend zu würdigen und im Kontext der lokalen Arbeiter:innenbewegung zu sehen.
Als Sohn des Mitbegründers der deutschen Sozialdemokratie, Wilhelm Liebknecht, machte der junge Berliner Rechtsanwalt Karl Liebknecht am 25. Januar 1912 Furore, als er den sogenannten „Kaiserwahlkreis“ (1) Potsdam-Spandau-Osthavelland gewann. Sein Ruf drang aber auch über die Havel rüber und die Nowaweser Arbeiter:innenschaft feierte seinen Sieg, als wäre es ihr eigener gewesen. Grund genug hatten sie auch doppelt. Denn auch ihr eigener Arbeiterkandidat für den Wahlkreis Teltow-Beeskow, Fritz Zubeil, gesellte sich als Sieger zu Liebknecht & Genossen.
Wenig bekannt ist, dass Karl Liebknecht im Februar 1910 eine Veranstaltung im damals größten Lokal der Nowaweser Arbeiter:innenbewegung , dem „Volksgarten“ des sozialdemokratischen Gastwirtes Max Singer in der damaligen Priesterstraße, abhielt. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus schlugen Kommunisten und Sozialdemokraten gemeinsam vor, der Priesterstraße den ehrenvollen Namen Karl Liebknechts zu geben, den sie auch noch heute trägt.


In den Tagen der deutschen Novemberrevolution rief, nur wenige Stunden später und nach dem Mehrheitssozialdemokraten Philipp Scheidemann, der politische Führer und USPD-Mitglied Karl Liebknecht vom Portal des Kaiserschlosses die „deutsche sozialistische Republik“ aus. Das dieser Traum nicht Wirklichkeit werden konnte, war unter anderem auch dem Pakt der neuen alten Sozialdemokratie unter Friedrich Ebert und der alten Militärelite des Kaiserreiches zu verdanken. Aber auch eine gewisse Konzeptionslosigkeit und eine mangelhafte Bindung an die revolutionären Massen der Berliner Arbeiter:innenbewegung, ließen den Traum scheitern.
Die Gründung einer Kommunistischen Partei um die Jahreswende 1918/1919 im Haus des preußischen Landtages in Berlin, mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg als Führungspersonen, schien ein letzter Versuch der Linken zu sein, der Revolution eine Führung zu geben. Aber die Gegenreaktion hatte die blutige Niederschlagung der Revolutionäre schon längst zur Tagesaufgabe erklärt, so dass am 15. Januar 1919 rechtsextreme Freikorps-Soldaten die beiden in Berlin ermordeten.
Kaum bekannt ist ebenso, dass sein Bruder Otto Liebknecht, eine Zeit lang in der Neubabelsberger Domstraße 4 lebte. Er war zwar nicht parteipolitisch aktiv, aber viele Jahre SPD-Mitglied. Doch auch er setzte sich für die Arbeiterbewegung auf betrieblicher Basis ein. Er zog im Jahr 1925 nach Neubabelsberg in eine Villa, weil er in Berlin als Chemiker arbeitete und zudem zwischen 1931 und 1935 an der späteren Humboldt-Universität Berlin lehrte.
Auch war der Vater des Nowaweser Kommunisten Albert Klink, ein Schmied aus Spandau, ein Weggefährte Karl Liebknechts. Albert Klink selbst wurde am 3. März 1911 in Tiefwerder/Spandau geboren, also im damaligen Wahlkreis von Karl Liebknecht.

Karl Liebknecht um 1912

Karl Liebknechts Wirken in Potsdam und Nowawes

Eine besondere Situation war in Nowawes gegeben, einem industriell geprägten Ort mit seinen Textil-, Schuh- und Netzfabriken, dem Lokomotivbau und der entstehenden metallurgischen und chemischen Industrie, mit dem preußisch-bürgerlichen Potsdam auf der einen und der Reichshauptstadt Berlin auf der anderen Seite. Der Kampf um das tägliche Stück Brot und gegen die Ausbeutung in den zahlreichen Fabriken sowie die soziale Lage sorgten für einen hohen Organisierungsgrad und machten die Arbeiter:innenbewegung groß, und damit auch die Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbewegung. Dies geschah an einem Ort, in welchem in unmittelbarer Nachbarschaft am 21. Oktober 1878 im Schloss Babelsberg das sogenannte Sozialistengesetz unterzeichnet wurde, das Vereine, Versammlungen und Schriften der Sozialdemokratie verbot.

Seit 1901 trat Karl Liebknecht regelmäßig in Potsdam auf. 23 Veranstaltungen mit ihm sind nachgewiesen. Am 23. Februar 1910 dann auch das erste und einzige Mal im „Roten Nowawes“, dass vielleicht aufgrund der Reputation und der starken Arbeiter:innenbewegung ausgewählt wurde. Seinen Wahlkreis hatte Karl Liebknecht auf dieser Seite der Havel nicht, sondern der Sozialdemokrat Fritz Zubeil (2). Trotzdem sollten Potsdam und Nowawes nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, denn seit jeher gab es einen engen Austausch in der Arbeiter:innenbewegung und gegenseitige Unterstützung, besonders durch die Nowaweser Genoss:innen in Potsdam. Scharf angegriffen wurden in jener Zeit die soziale und politische Lage der Bevölkerung sowie das sogenannte Dreiklassenwahlrecht (3). Dies spiegelte sich in der Rede Karl Liebknechts in Singers Volksgarten (4) in der damaligen Nowaweser Priesterstraße wieder.

Die „Brandenburger Zeitung“ nannte die Versammlung in Nowawes eine „eindrucksvolle Kundgebung gegen die preußische Reaktion“. Lange vor Beginn der Versammlung war der Raum überfüllt. 2000 Männer und Frauen hatten sich eingefunden. Sie unterbrachen Liebknechts Ausführungen oft durch lebhaften Beifall. Aus seiner Rede zu „Preußen-Deutschlands politische Lage“ sind folgende Sätze zitiert worden: „Wenn die Regierung auf ihrem reaktionären Standpunkt beharrt, so wird das Proletariat in den politischen Massenstreik hineingetrieben. Das Proletariat wird nicht eher ruhen, als bis die preußische Junkerfeste sowie das elendeste aller Wahlsysteme beseitigt und das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht erobert ist.“ Auf den preußischen Wahlrechtskampf eingehend, kündigte Karl Liebknecht an: „Der Kampf des Proletariats um das freie Wahlrecht hat erst begonnen.“

Die Sozialdemokratie war mittlerweile auch im „Kaiserwahlkreis“ die stärkste Partei geworden. Jedoch zeigte sich, wenn die Arbeiter:innenklasse als ernstzunehmende politische Kraft auftrat, sah sie sich einer konservativen Koalition gegenüber. So hatte sich in den Reichstagswahlen von 1903 und 1907 der bürgerlich-konservative Kandidat durchgesetzt. Karl Liebknecht war für sie der „Roteste der Roten“, und so drohte die Potsdamer Tageszeitung: „Wer in Potsdam, fast im Angesicht unseres geliebten Kaiserpaares … einem Sozen seine Stimme gibt … hat das Recht verwirkt, sich noch ein guter Deutscher zu nennen …“. Doch in der Stichwahl eroberte Karl Liebknecht am 25. Januar 1912 gegen den konservativen Kandidaten, den Potsdamer Oberbürgermeister Dr. Kurt Vosberg, den Kaiserwahlkreis mit recht deutlichem Vorsprung auch mit Unterstützung der „Fortschrittlichen Volkpartei“. In Nowawes setzte sich ebenfalls der Kandidat der Arbeiter:innenklasse durch, nämlich Fritz Zubeil.

Doch auch innerhalb der Sozialdemokratie gab es Kämpfe. Einigen, damals noch wenigen Personen, war die Politik der SPD unter dem Kaiser nicht revolutionär genug, sie wollten mit dem Opportunismus und einer kaiserfreundlichen Politik nichts gemein haben. Verächtlich betitelte man einen Teil der SPD als „Kaisersozialisten“. Die beiden Abgeordneten der SPD-Fraktion im Reichstag von 1912, Hugo Haase und Karl Liebknecht, waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg als Kriegsgegner und Kritiker der Sozialdemokratie in Erscheinung getreten. Bereits 1907 veröffentlichte Karl Liebknecht das Werk „Militarismus und Antimilitarismus“, woraufhin er wegen Hochverrats angeklagt und zu einer Haftstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt wurde.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges verschärften sich die Klassenauseinandersetzungen. Im November 1914 beauftragen die Potsdamer Arbeiter:innen Karl Liebknecht im Potsdamer Gewerkschaftshaus gegen die Kriegskredite im Reichstag zu stimmen. Offen lehnte er die Kriegskredite im Reichstag am 2. Dezember 1914 ab. Die parteiinternen Auseinandersetzungen der SPD um Krieg, Kriegskredite und Burgfriedenpolitik (5) sowie die prekäre Lage der Bevölkerung und die ersten großen Streiks und die Kriegsmüdigkeit führten zur Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Diese linke Abspaltung von der SPD hatte in ihrer Nowaweser Ortsgruppe im Jahr 1917 bereits 700 Mitglieder und war damit stärker als die Ortsgruppe der SPD. Besonders stark war die Gruppe der USPD im Nowaweser Betrieb von Orenstein & Koppel (O&K), damals schon ein kriegswichtiger Betrieb für die kaiserliche Armee. Kein Wunder also, dass sich hier im Jahr 1917 um die Kesselschmiede herum eine Spartakusgruppe zusammenfand und erste Streiks organisiert wurden.

1915 wurde aus Protest gegen die Zustimmung der SPD zum Krieg unter anderem auf Initiative von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht die „Gruppe Internationale“ gegründet, ein innerparteilicher Kern Oppositioneller in der SPD. Sie bekannte sich zum sozialistischen Internationalismus und forderte die sofortige Einstellung aller Kriegshandlungen. Seit 1916 propagierte die Gruppe ihre politischen Ziele in den illegalen Spartakusbriefen. Ihre Führungspersonen, so auch Karl Liebknecht, wurden systematisch verfolgt und eingekerkert. Die nun aufgrund ihrer verfassten Briefe genannte Gruppe Spartakus schloss sich 1917 trotz politischer Zerwürfnisse der USPD an und formierte schließlich später zur neu gegründeten KPD. Das Wirken Karl Liebknechts färbte so auf die Arbeiter:innen in Potsdam und Nowawes ab, so wurde zum Beispiel die „Junius-Borschüre“, eine Schrift von Rosa Luxemburg zur Krise der Sozialdemokratie, sowie die Spartakusbriefe, in den Betrieben, vor allem bei O&K, verteilt.

In Potsdam stach besonders Albert Heese als Organisator hervor. Er war langjähriges Mitglied der SPD und ab 1917 der USPD. Er kehrte im November 1918 von seinem Hamburger Arbeitsort wieder in seine Potsdamer Heimatstadt zurück und brachte die revolutionären Erfahrungen aus dem Matrosenaufstand von der Küste mit. Im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) fand er Arbeit und organisierte hier die Spartakusgruppe, denn bereits in Hamburg war er Teil des Spartakusbundes. In Potsdam stellte er Kontakte zu den Arbeiter:innen vom Kaiserreich am Golmer Reiherberg errichteten Flugzeugwerk her, wo er auf andere USPD-Genossen traf. Auch nach Nowawes gab es nun Verbindungen, die ihrerseits Kontakte zur Spartakuszentrale nach Berlin hatten. So gab es eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Spartakusgruppen im RAW, bei O&K, im sich in Demontage befindlichen Flugzeugwerk in Golm und auch in der Jute-Spinnerei Nowawes. Es wird sogar von einer gemeinsamen Potsdam-Nowaweser Spartakusgruppe berichtet. Als Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Hunderte Arbeiter:innen in Berlin die KPD gründeten, war der Grundstein für die KPD-Ortsgruppen in Potsdam und Nowawes gelegt.

Am 3. Januar 1919 gründeten sich in Nowawes zwei Ortsgruppen der KPD, die am Tag noch nichts von einer jeweiligen Gründung der anderen wussten. Die eine wurde maßgeblich von Arbeiter:innen von O&K im Lokal Hiemke gegründet, die andere von Arbeiter:innen aus dem RAW im Lokal Pelz in der Nowaweser Mühlenstraße. In Potsdam wurde eine Ortsgruppe der KPD im März 1919 geschaffen. Schon im Frühjahr 1919 gab es die erste Großveranstaltung in Nowawes im Lokal Turnhalle in der heutigen Tuchmacherstraße. Es sprach dort der Genosse Fritz Heckert vom Zentralkomitee der KPD zum Thema der Auslieferung des nach Holland geflüchteten Kaisers Wilhelm II. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren zwar bereits am 15.01.1919 durch rechtsextreme Freikorps-Soldaten ermordet worden, doch der Geist der beiden lebte (und lebt) in den Arbeiter:innen von Potsdam und Nowawes weiter. Eine wirkliche Massenwirksamkeit im Sinne von Liebknecht und Luxemburg konnte die KPD aber erst nach Ausschluss ihres linksradikalen Flügels (später: Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands) und ihrer Vereinigung mit dem linken Flügel der weitaus größeren und bedeutenderen revolutionären Massenpartei, der USPD, im Herbst 1920 in Halle erlangen.

Restaurant Hiemke

Chronologie Karl Liebknechts in Potsdam und Umgebung

15. Mai 1901

Karl Liebknecht tritt zum ersten Mal In Potsdam auf. Er spricht vor etwa 400 Personen, sein Thema ist „Die Sozialdemokratie und die bürgerlichen Parteien”.

21. Januar 1906

Auftreten auf Volksversammlungen anlässlich des Jahrestages des Petersburger Blutsonntags, die unter der Losung: „Gegen Volksentrechtung und Volksknechtung!” stattfanden. Karl Liebknecht sprach um 14:00 Uhr in Spandau, danach in Potsdam und ab 19:15 Uhr in Eiche. In Potsdam nehmen über 1200 Personen an der Versammlung im Viktoria-Garten (6) teil.

1. September 1909

Vor über 800 Versammlungsteilnehmern in Potsdam rechnet Karl Liebknecht mit der reaktionären Innen- und Außenpolitik der kaiserlichen Regierung und des Reichstages ab.

23. Februar 1910

Rede vor 2000 Teilnehmern einer Volksversammlung in Nowawes über das Thema: „Preußen-Deutschland und die politische Lage“.

31. Juli 1910

Referat vor den Werktätigen von Eiche und Golm über den Kampf gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht.

20. Januar 1911

Rede in einer überfüllten Volksversammlung im Viktoria-Garten in Potsdam über die preußisch-deutsche Reaktion und die Sozialdemokratie.

3. Dezember 1911

Auftreten auf Reichstagswählerversammlung in Potsdam unter freiem Himmel vor über 2150 Personen, nachdem die Reaktion den Genossen in Potsdam den Viktoria-Garten entzogen hatte.

17. Januar und 21. Januar 1912

Nochmaliges Auftreten auf Wahlversammlungen in Potsdam, da in der Hauptwahl am 12. Januar 1912 keiner der Kandidaten des Wahlkreises die absolute Mehrheit errungen hatte und eine Stichwahl am 25. Januar 1912 durchgeführt werden sollte.

25. Januar 1912

Karl Liebknecht erringt in der Stichwahl einen großen Sieg und erobert den „Kaiserwahlkreis“.

28. Januar 1912

Auftreten in Potsdam auf einer Versammlung unter freiem Himmel vor etwa 3500 Personen, in der Liebknecht den Wählern für das Vertrauen dankt.

November 1914

Im Potsdamer Gewerkschaftshaus (7) beauftragen Potsdamer Genossen Karl Liebknecht, gegen die Kriegskredite im Reichstag zu stimmen.

2. Dezember 1914

Offene Ablehnung weiterer Kriegskredite durch Karl Liebknecht im Reichstag.

7. Februar 1915

Karl Liebknecht wird als Armierungssoldat eingezogen und den Militärgesetzen unterworfen.

1. Mai 1916

Antikriegsdemonstration in Berlin, organisiert durch die Spartakusgruppe. Karl Liebknecht ruft auf dem Potsdamer Platz: „Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!” Liebknecht wird verhaftet.

1. Mai 1916 bis 23. Oktober 1918

Inhaftiert im Zuchthaus Luckau; freigelassen durch erzwungene Amnestie.

11. November 1917

Aus einem Brief Karl Liebknechts aus dem Zuchthaus Luckau: Der ungeheure Prozess der sozialen und wirtschaftlichen Revolutionierung Russlands vom Bodensatz bis zum Schaum, dessen Ausdruck nur die politische — die Verfassungs- und Verwaltungsrevolutionierung ist, steht nicht am Abschluss, sondern im Beginn, vor unbegrenzten Möglichkeiten — weit größer als die Große Französische Revolution.

9. November 1918

Von einem Balkon des Berliner Schlosses ruft Karl Liebknecht unter der begeisterten Zustimmung der Massen die sozialistische Republik Deutschland aus. Demonstrationen, Streiks und Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten auch in Potsdam und Nowawes.

30. Dezember 1918 bis 1. Januar 1919

Gründungsparteitag der KPD. Karl Liebknecht wird gemeinsam mit Rosa Luxemburg in die Führung der KPD gewählt.

3. Januar 1919

Gründung der KPD-Ortsgruppe in Nowawes.

15. Januar 1919

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet.

Erklärungen

(1) Kaiserwahlkreis
Als Kaiserwahlkreis wird der Wahlkreis Potsdam-Spandau-Osthavelland genannt, in dem der Kaiser in Potsdam lebte. In den Jahren 1903 und 1907 hatte Liebknecht dort kandidiert, seinen Wahlkampf begann er schon 1901. Karl Liebknecht konnte den Kaiserwahlkreis bei der Reichstagswahl 1912 überraschend gewinnen.

(2) Fritz Zubeil
Fritz Zubeil war Mitglied der SPD und später ab 1917 der USPD sowie Mitglied des Deutschen Reichstages. Er lebte in Berlin und zog erstmals 1893 für die SPD in den Reichstag ein. Er betrieb unter anderem eine Gastwirtschaft und arbeitete für den Vorwärts, dem Zentralorgan der SPD. Bis zu seinem Tod im Jahr 1926 war er Mitglied des Reichstages für die SPD, zu der er 1922 zurückkehrte.

(3) Dreiklassenwahlrecht
Das Dreiklassenwahlrecht ist ein historisches Wahlrecht und -system, welches in der deutschen Geschichte vor allem die Situation im Königreich Preußen beeinflusste. Die Abgeordneten des Abgeordnetenhauses wurden bis Ende der Monarchie 1918 nach dem Dreiklassenwahlrecht gewählt, das Abgeordnetenhaus selbst war die zweite Kammer des Preußischen Landtages. Die Einteilung geschah folgendermaßen: Diejenigen Wahlberechtigten, die die meisten Steuern zahlten, wählten in der 1. Abteilung. Es wurden so viele Wahlberechtigte in diese erste Abteilung eingeteilt, bis ein Drittel des Steueraufkommens erreicht war. In die 2. Abteilung wurden diejenigen eingeteilt, die unter den verbleibenden Wahlberechtigten die größte Steuerleistung erbrachten, bis ein weiteres Drittel des Gesamtaufkommens erreicht war. Die übrigen Wahlberechtigten bildeten die 3. Abteilung. Wechsel innerhalb der Abteilungen waren möglich. Aufgrund ihres undemokratischen Ansatzes wurde es vor allem aus der Sozialdemokratie bekämpft.

(4) Singers Volksgarten
Das bekannte Arbeiterlokal „Volksgarten“ in der Priesterstr. 31 war eines der größten Versammlungsorte der Nowaweser Arbeiter:innenbewegung. Eine erste politische Maiversammlung ist aus dem Jahr 1899 datiert. Max Singer als Inhaber des Lokals war Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates in Nowawes und von 1919 bis 1933 sozialdemokratischer Gemeindevertreter bzw. Stadtverordneter in Nowawes.

(5) Kriegskredite
Als Kriegskredite wird das am 4. August 1914 vom Reichstag beschlossene „Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushaltsetat für das Rechnungsjahr 1914“ bezeichnet, dass von allen Parteien des Reichstags zugestimmt wird. Als Burgfrieden gilt, für die Zeit des Kriegs den politischen Streit ruhen zu lassen und sich vollends auf den Krieg zu konzentrieren.

(6) Viktoria-Garten
Der ehemalige Viktoria-Garten (oder auch „Victoria-Garten-Restaurant“ oder Viktoriagarten geschrieben) befand sich im Potsdamer Viertel Brandenburger Vorstadt in der Zeppelinstraße 37, direkt gegenüber dem Bahnhof Potsdam-Charlottenhof. Später errichtete man auch ein Gebäude in dem im Jahr 1934 ein Filmtheater eingerichtet wurde. Es war die größte Versammlungsstätte der Potsdamer Arbeiter:innenbewegung von 1890 bis zur Novemberrevolution und darüber hinaus. Die Bedeutung dieses Ortes war ähnlich groß und wichtig für die Arbeiter:innenbewegung wie Singers Volksgarten in Nowawes.

(7) Gewerkschaftshaus
In der Hegelallee 38 (ehem. Parteilokal Glaser) war das Potsdamer Gewerkschaftshaus und bei einer Versammlung erhielt Karl Liebknecht die Zustimmung seiner Potsdamer Genossen für die Ablehnung der Kriegskredite.

Quellen:

Bücher

1000 Jahre Potsdam, Blätter aus der Stadtgeschichte Teil II, Potsdam 1989

Geschichte der Arbeiterbewegung im Reichstagswahlkreis Karl Liebknechts 1871-1917 Teil 2, Potsdam 1965

USPD – Zur Geschichte der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Frankfurt/Main 1975

Mitgestalter der Geschichte – Wegbereiter unserer Zeit, Potsdam 1980

Zeitung

Schlegel: KPD-Betriebsgruppe im Raw, Märkische Volksstimme vom 12.01.1989

Laube: Das rote Nowawes lebt!, Märkische Volksstimme vom 04.01.1959

Kalender

60 Jahre Kampf der deutschen Arbeiterklasse 1918 – 1978, Potsdam