Nächtlicher Besuch auf Blockstelle 28 in der Nowaweser Lindenstraße

Vor geraumer Zeit schrieben wir von der Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes einen Artikel über die Blockstelle an der Brücke der Anhaltstraße zur Ecke Rudolf-Breitscheid-Straße mit der Idee zur Errichtung eines kleines Museums bezüglich der Nutzung des seit Jahrzehnten leerstehenden Turmes.

Nun haben wir bei Recherchen einen Artikel in der Potsdamer Tageszeitung vom 24. Oktober 1931 aufgetan, der eindrücklich das Leben als Eisenbahner in genau jener Blockstelle in der damaligen Lindenstraße (heute Rudolf-Breitscheid-Straße) beschreibt. Auszugsweise wollen wir den Artikel hier der Öffentlichkeit kundtun.

Unter der Überschrift „Auf dem Olymp des Eisenbahners. Nächtlicher Besuch auf Blockstelle 28 in der Lindenstraße“ besucht der Reporter R.B. in der Nacht die Blockstelle und verfasst diese Reportage über die dortige Arbeit:

Mitternacht, Geisterstunde, in stockfinstere Nacht. Kalte Brise weht die Lindenstraße entlang. Heulend, pfeifend umspielt der kalte Ost den Turm der Blockstelle 28. Vereinsamt liegt er, nur oben, ganz oben, ein Lichtschimmer – da stieg ich hinauf.
(…)
Aus einer reizenden Perspektive hat man einen Überblick auf die bunte Bahnkörperszenerie, in stets gleicher Höhe stehen neben den vier Gleispaaren, wie an Marterpfählen befestigt, rote und grüne Sterne, nein, sie bewegen sich auch, eilen – zu oder fort – durch die gespenstige Nacht, verschwinden, tauchen als kleine Pünktchen urplötzlich auf. Da, der Nacht-D-Zug gen Westen dampft heran, zischt, stampft, huscht vorüber, man wirft einen fast indiskreten Blick in die Abteile – wie ein Spuk mutet alles an, jetzt naht sein Kollege, der Gegenzug von Potsdam her, viel langsamer: scharfe Steigung vor Nowawes… ein etwas neidischer Blick fliegt in das fahrende Restaurant. Der Elektrische rattert vorüber, als ob sie beide zusammen eine Wettfahrt machen wollten. Und dann ist es für Minuten wieder still, der Bahnkörper harrt des nächsten Ansturmes: Ein imposantes Bild zur mitternächtlichen Stunde.
(…)
Zur Erläuterung erzählt der Eisenbahner: „Sie befinden sich hier auf einer Blockstelle, das besagt, dass der Schienenweg in mehrere Blockabschnitte eingeteilt ist. Nie darf sich in einem Blockabschnitt mehr als ein Zug befinden, stets nur einer, und erst dann, wenn der Zug den Blockabschnitt verlassen hat, darf der nächste nachfolgen.“

Und zum System der Sicherheitsvorkehrung für die Bahnstrecke klärt der Artikel auf, dass in einer Blockstelle ein Morseapparat ist, welcher der Kommunikation dient. Und weiter:

Der Eisenbahner drückt eine Taste, dreht an einer Kurbel, wie man das früher beim Telefonieren tat, dadurch wird ein elektrischer Strom erzeugt, nach der nächsten Blockstelle wird der Zug vorgemeldet.

Der Artikel gibt Preis, dass eine Schicht 12 Stunden dauerte, ob am Tag oder in der Nacht. Bei Einschlafen oder Nichtaufpassen, also wenn ein Signal nicht umgestellt wird, muss ein Eisenbahner 1 Mark Strafe bezahlen. Die Lokführer geben in ihren Berichten, die sie auf ihrer Fahrtstrecke verfassen müssen, darüber Auskunft, ob die Fahrt reibungslos verlief.

Jedenfalls ist der Artikel ein interessantes Zeitzeugnis über die damalige Arbeit bei der Eisenbahn und für uns ein Stück mehr, um über die Nutzung dieses kleinen Turmes als Ausstellungsraum oder kleines Museum zur ersten Eisenbahn in Preußen zu philosophieren.